Anfragen in der BVV

0329/V - Mehr Fahrräder in der Mitte Berlins – und was ist der Preis?

Drucksache 0329/V - Schriftliche Anfrage

22.02.2018

Sehr geehrte Frau Kreitmair,

namens des Bezirksamtes Mitte beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt:

Hintergrund der Anfrage:
In der wachsenden Stadt und insbesondere in der Stadtmitte sind der Ausbau des Radwegenetzes und ein größeres Angebot auch an Leihfahrrädern unumgänglich, um dem Mobilitätsanforderungen gerecht zu werden und Atemluft und Umwelt zu schonen. Auf die Bezirke und den Senat von Berlin kommen damit neue Heraus- forderungen zu.

In der Antwort zur Kleinen Anfrage 009/V hat das BA ausgeführt:
„Sollte die Deutsche Bahn das Verleihsystem auf öffentlichem Straßenland ohne feste Verleihstationen etablieren wollen, müsste geprüft werden, inwieweit das gewerbliche Bereitstellen von Leihfahrrädern auf öffentlichem Straßen eine erlaubnispflichtige Sondernutzung darstellt.“

Neben dem von Senat geförderten Angebot von Nextbike hat auch Lidl in Zusammenarbeit mit der DB AG Tausende von Fahrrädern in Berlin stationiert. Nextbike-Fahrräder können, müssen aber nicht, an festen (genehmigten) Standorten auf öffentlichen Flächen zurückgegeben werden. Fahrräder von Lidl / Deutsche Bahn, Obike und Mobike sowie zahlreicher kleinerer Anbieter werden jedoch möglicherweise ohne behördliche Steuerung auf öffentlichen Flächen abgestellt.

Das Angebot konzentriert sich vor allem in Berlin Mitte. Die Fahrräder werden zum Teil verkehrswidrig abgestellt, zum Teil blockieren sie die mit öffentlichen Mitteln errichteten Fahrradabstellanlagen. Obike sanktioniert nach eigenen Angaben Nutzer, die ihre Fahrzeuge regelwidrig abstellen; mit welchem Nachdruck und Erfolg diese Ankündigung allerdings umgesetzt wird, ist offen. Von anderen Anbietern ist Ähnliches nicht bekannt.

Zugleich wurden Pressemeldungen bekannt, wonach
- die Fahrräder nicht immer verkehrstüchtig sind und nicht den Anforderungen der STVO entsprechen (http://www.radmarkt.de/nachrichten/ziv-fordert-bikesharing- sicher-stvzo-konform),
- der Datenschutz nicht gewährleistet ist (https://netzpolitik.org/2017/nutzerdaten- von-bikesharing-anbieter-obike-oeffentlich-im-netz-einsehbar/).

Frage 1
Welche Bedingungen müssen gewerbliche Anbieter von Leihfahrrädern ohne feste Standorte auf öffentlichem Gelände bei der Anmeldung ihres Gewerbes erfüllen?

Beim Gewerbeamt ist lediglich der Beginn der Gewerbetätigkeit anzuzeigen; gewerberechtliche „Zulassungsbedingungen“ gibt es nicht.

Frage 2
Wer kontrolliert die Einhaltung der in Frage 1 genannten Bedingungen?

Siehe Antwort zu Frage 1.

Frage 3
Wer kontrolliert ob die Vorschriften der StVO zur Ausstattung der Fahrräder und die Vorschriften des BDSchG zur Datenerfassung, -speicherung und - verarbeitung eingehalten werden?

Für die Ausstattung (nach der StVZO) an einem Fahrrad ist der Nutzer bzw. der Fahrzeugführer verantwortlich.

Die Ausstattung wie z.B. Licht (§67 StVZO), Bremsen (§65 StVZO) usw. ist vor jedem Fahrantritt durch den Nutzer auf Funktion zu überprüfen. Ordnungswidriges Handeln (ohne Ausstattung nach der StVZO) wird durch die Polizei und den Ordnungsämtern im Fließverkehr festgestellt und gegen den Fahrzeugführer des Fahrrades wird ein Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Der Eigentümer (Halter) erhält einen Mängelbericht (Pol V250/850) um die entstandenen Mängel zu beseitigen.

Für die Einhaltung des Datenschutzes sind die Betreiber selbst verantwortlich. Diese wird vom Bezirksamt nicht gesondert kontrolliert, da es hierzu keine rechtliche Grundlage gibt. Nutzerinnen und Nutzer können jedoch festgestellte Datenschutz- mängel an die Datenschutzbeauftragten des Bezirks, des Landes und der Bundesrepublik melden.

Frage 4
Was ist das Ergebnis der Prüfung, inwieweit das gewerbliche Bereitstellen von Leihfahrrädern auf öffentlichem Straßen eine erlaubnispflichtige Sonder- nutzung darstellt? (vgl. Antwort zur Kleinen Anfrage 009/V)

Nach Rechtsauffassung der SenUVK ist das gewerbliche Angebot von Leihfahr- rädern in begrenzter Anzahl ohne feste Stationen grundsätzlich keine Überschreitung des Gemeingebrauchs und damit genehmigungsfrei. Unabhängig davon ist der Anbieter, ebenso wie ein privater Fahrrad-Nutzer, verpflichtet die Bestimmungen der StVO einzuhalten. Wenn die Fahrräder z.B. Gehwege, Eingänge, Übergänge blockieren oder behindern, so kann dies entweder direkt beim Anbieter (Kontakt- daten sind auf den Rädern meist angegeben) angezeigt und um umgehende Beseitigung gebeten werden oder alternativ eine Anzeige beim Ordnungsamt gestellt werden.

Nach Einschätzung der SenUVK wären erst bei einer deutlichen Überschreitung des Gemeingebrauchs (hier schwanken die Zahlen zwischen nunmehr ab 5 Fahrrädern und bisher 10-12 Fahrrädern) eine Sondernutzungserlaubnis durch den Anbieter zu beantragen. Die jeweiligen Anbieter stellen jedoch mehrheitlich keine Sonder- nutzungs-Anträge bei den Bezirken, weil die Rechtsauffassung der SenUVK nicht geteilt wird.

Aufgrund dessen wurden in den letzten Monaten intensive Diskussionen zwischen den unmittelbar betroffenen Bezirken und der SenUVK geführt, um berlinweite Richtlinien und damit verbunden auch Genehmigungsverfahren für die Vielzahl an Anbietern festzulegen. Parallel dazu wurden der SenUVK durch die Bezirke Dokumentationen übermittelt, die die Vielzahl an Beschwerden und Verstößen durch das unsachgemäße Abstellen der Fahrräder belegen.

Frage 5
Welche Möglichkeiten hat das Bezirksamt, das ungeordnete Abstellen der Fahrräder und die Belegung von öffentlichen Fahrradständern durch Fahrräder gewerblicher Anbieter zu regeln?

Im Ergebnis der intensiven Kommunikation zwischen SenUVK und den Bezirken wurde den Bezirken per Mail vom 16.02.2018 ein Kriterienkatalog zu allgemeinen Anforderungen für das Abstellen von stationslosen Fahrradverleihsystemen im öffentlichen Straßenland und eine Muster-Beseitigungsverfügung übersandt (siehe Anlagen). Im Kriterienkatalog ist u.a. enthalten, dass ein Antrag auf Sondernutzung ab einer Bündelung von 5 Fahrrädern zu stellen ist und dieser ortsbezogen geprüft wird (z.B. Einhaltung von Gehwegbreiten, keine Behinderung von Querungsstellen, keine städtebaulichen und historisch sensiblen Bereiche beeinträchtigen, keine Nutzung von öffentlichen Fahrradabstellanlagen).

Mit der Beseitigungsverfügung soll bei Verstößen mit entsprechenden Zwangsmitteln geahndet werden können. Eine personelle Untersetzung für diese zusätzlichen Auf- gaben hat es bisher nicht gegeben.

Die Verwaltungspraxis wird in nächster Zeit zeigen, ob diese Maßnahmen geeignet und in der Vielzahl auch personell umsetzbar sind, um eine Verbesserung im öffent- lichen Straßenland herbeizuführen. Verantwortlich bleibt jedoch unverändert der Anbieter für die Einhaltung der Regeln durch seine Nutzer.

Mit freundlichen Grüßen

Sabine Weißler

Fragesteller: Fraktion der SPD, Sonja Kreitmair

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