Kiezrundfahrt - Stefan Draeger und Thorsten Lüthke auf Tour

Veröffentlicht am 05.10.2014 in Kiez

Der Genosse Thorsten Lüthke und ich haben den gestrigen Tag der Deutschen Einheit dazu genutzt, mehrere Stationen in Tiergarten und Moabit anzufahren und uns die Situationen, mit denen wir uns aktuell in der BVV beschäftigen, vor Ort anzuschauen. Einer der ersten Haltepunkte war die Flensburger Straße. Wir gingen auf einen Parkplatz, der sich zwischen zwei Häuserzeilen befindet und der direkt an die S-Bahn-Trasse reicht. Wir machten uns nicht nur ein „Bild“ des Problems, sondern hörten es auch! In der Tat erzeugen speziell die S-Bahn-Züge erhebliche Gleisgeräusche während ICE und RE eher ruhig vorbei glitten.

Wir kamen dann noch mit einem Anwohner ins Gespräch, der sich gerade anschickte, sein Auto (was dort parkte) zu putzen. Er bestätigte, daß der Lärm nach der Sanierung der Gleise erheblich zugenommen habe und nun auch in seiner Wohnung zu hören sei: er wohnt auf der anderen Seite der Flensburger Straße, also nicht unmittelbar an den Gleisen. Der Anwohner bestätigte auch, daß kurz vor der Sanierung mehrere Pappeln gefällt worden waren, die unmittelbar neben der S-Bahn-Trasse gestanden hatten. Die Stümpfe sind noch gut zu erkennen. Grund für die Fällung war wohl, daß bei einem Unwetter eine der Pappeln umgestürzt und die Oberleitungen/Gleise beschädigt hatte. Daraufhin wurden aus Sicherheitsgründen auch die anderen Bäume entfernt. Ich könnte mir vorstellen, daß diese Baumreihe doch ein erheblicher Lärm-Puffer war. Möglicherweise würde ein Großteil des Lärmproblems dadurch gelöst, daß wieder (standfestere) Bäume aufgeforstet werden. Diese müßten natürlich schon relativ ausgewachsen sein. Der Preis für derartige Bäume ist mit Sicherheit deutlich niedriger als die mögliche Errichtung einer Lärmschutzwand.

Der Anwohner schlug vor, den Zaun neben der S-Bahn mit Dämmschutzplatten aufzurüsten. Auch das müßte relativ preiswert zu realisieren sein.

Wir werden jetzt parallel agieren: einerseits werden wir das Bezirksamt ersuchen, im Gespräch mit der S-Bahn bzw. der DB-Netz AG nach einer für beide Seiten tragbaren Lösung zu suchen. Andererseits werden wir selbst aktiv und die Geschäftsführung der S-Bahn und den Regionalmanager der DB-Netz AG ansprechen. Ich gehe davon aus, daß die Fronten nicht unnötig verhärtet sind und eine Lösung des Lärmproblems relativ zeitnah möglich ist. Und dann werden wir eine Anwohner-Informationsveranstaltung mit allen Beteiligten durchführen.

Wir bleiben dran.

Die Baumstümpfe der gefällten Pappeln sind noch zu erkennen.

Die Baumstümpfe der gefällten Pappeln sind noch zu erkennen.

Der Parkplatz vor der Bahntrasse.

Der Parkplatz vor der Bahntrasse.

Die S-Bahnen rauschen im Minutentakt hier vorbei.

Die S-Bahnen rauschen im Minutentakt hier vorbei.

Kiezrundfahrt Station 2: Interessante Hinweise auf jüdische Geschichte

Am Ende der Straße, wo  „Siegmunds Hof“ auf das „Schleswiger Ufer“ stößt, stehen zwei Denkmale, die erstens relativ schlecht lesbar sind und zweitens offenbar völlig unbeachtet bleiben, obwohl sie doch recht auffällig sind. Direkt vor dem Aufgang zum Wullenwebersteg (wer weiß, daß es eine Brücke diesen Namens zwischen Hansaviertel und Moabit gibt?) stehen sie – links der Sockel mit dem Schriftenrelief, rechts, etwas zurückgesetzt, die Schriftentafel. Beide Denkmale sollen daran erinnern, daß an dieser Stelle (Siegmundshof 11)  im Jahre 1924 eine (zweite – zusätzlich zu der in der jetzigen Tucholskystraße) Synagoge errichtet wurde, die dann 1939 von den Nazis geschlossen und im Krieg zerstört wurde. Das Gebäudereste wurden offenbar veräußert und 1955 abgerissen. Erst seit dem Dezember 1989 ist die jüdische Gemeinde wieder in ihrem angestammten Gemeindehaus in der Tucholskystraße tätig. Einzelheiten lassen sich hier nachlesen: http://www.adassjisroel.de/ . Ich habe gegoogelt und recherchiert: es ist nicht einfach herauszufinden, wer für diese beiden Denkmale verantwortlich ist, wer sie pflegt. Bisher ist es mir nicht gelungen. Vielleicht kann eine „Kleine Anfrage“ Licht ins Dunkel bringen.

Interessant auch die Geschichte der Straße „Siegmunds Hof“, die offenbar 1862 als Privatstraße von Johann Gottfried Siegmund (1792 – 1865) angelegt wurde. Erst 1888 erfolgte die öffentliche Widmung. Heute befinden sich mehrere Wohnblocks des Studentenwerks dort, das momentan erhebliche Renovierungen an den Häusern vornimmt.

Der Wullenwebersteg ist nach dem damaligen Lübecker Bürgermeister Jürgen Wullenwever (1492-1537) benannt, der – laut Wikipedia – wegen „Demokratisierung“ hingerichtet worden war. Der Steg nimmt den Namen der Straße in Moabit auf, mit der durch die Brücke eine Verbindung zum Hansaviertel besteht. Die aktuelle Brücke wurde erst 1957 erbaut und ersetzte die im Krieg zerstörte Achenbach-Brücke, die 1907 eingeweiht worden war.

Was man nicht so alles Interessante über „seinen“ Bezirk bei einer solchen Tour erfährt!

Die Tafel weist auf die Modernisierungsarbeiten hin.

Die Tafel weist auf die Modernisierungsarbeiten hin.

Eines der beiden Denkmale zu Erinnerung an die Synagoge an dieser Stelle

Eines der beiden Denkmale zu Erinnerung an die Synagoge an dieser Stelle

Ein weiteres Denkmal unmittelbar neben dem Wullenwebersteg

Ein weiteres Denkmal unmittelbar neben dem Wullenwebersteg

Kiezrundfahrt 3. Station: Wer kümmert sich?

Gleich auf der anderen Seite der Spree, wenn man vom Wullenwebersteg nach rechts abbiegt, kommt man an ein weiteres Denkmal oder eine Stele – oder wie immer man das nennen soll. Es oder sie steht neben einem verschmierten und demolierten Hinweisschild auf eine „geschützte Grünanlage“ (kann man gerade noch so entziffern). Diese Gedenktafel erinnert an den Rabbiner Menachem M. Schneerson (1902 – 1994), der an dieser Stelle (Hansaufer 7) von 1928 – 1931 gelebt hat. Er gehörte zu den bedeutendsten Rabbinern seiner Zeit. Er war das Oberhaupt der Chabad-Bewegung.

Auch diese Hinweistafel hat ihre besten Jahre hinter sich – um es freundlich auszudrücken. Sie benötigt dringend einer Sanierung und/oder Renovierung. Wer fühlt sich verantwortlich?

Und wer ist für das – vergleichsweise profane – Hinweisschild auf die geschützte Grünfläche verantwortlich? Ich wage mal die Vermutung: das Bezirksamt. Und? Muß es erst abfallen oder ganz abgerissen werden bis es ersetzt wird?

Es macht immer wieder Sinn, mit offenen Augen (und Ohren!) durch die Straßen des Bezirks zu schlendern.

Wer fühlt sich verantwortlich?

Wer fühlt sich verantwortlich?

Die Gedenktafel für "Rebbe" Menachem Mendel Schneerson

Die Gedenktafel für „Rebbe“ Menachem Mendel Schneerson

Kiezrundfahrt 4. Station: Hansaufer 5: Schluß mit der Verdrängung

In Artikel 14 unseres Grundgesetzes steht unter Absatz 2: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Gemeinwohl dienen“. Wenn dieser Artikel und diese beiden Sätze ernst gemeint sind – und das sind sie – dann dürfte es sowas wie das, was sich jetzt mit dem Gebäude am Hansaufer 5 abspielt, gar nicht geben. Die Wohnungsbaugesellschaft Akelius hat es 2008 gekauft und möchte es derzeit sanieren und zwei Stockwerke draufsetzen. Wärmedämmung etc. Ursprünglich war dieses Haus mal als Altenwohnheim geplant. Daher befinden sich ausschließlich nur 1- und 2-Zimmer-Wohnungen darin. Alle Einzelheiten auf der Webseite der Bewohner.

Wir kamen mit einer Bewohnerin ins Gespräch, die uns auch ein paar Räumlichkeiten im Erdgeschoss und die Baulücke in der Tile-Wardenberg- Straße zeigte, die Akelius ebenfalls erworben und nun bebauen möchte. Dieser Neubau wird so tief, daß die Küchen von den Bewohnern, die an der Straßenecke wohnen, kein Tageslicht mehr erreichen wird. Sie müssen also in der Küche immer Licht brennen lassen! Aber das nur nebenbei.

Die Bewohnerin erzählte, daß derzeit 17 Wohnungen leer stünden! Interessant: Akelius bietet diese Wohnungen NICHT auf ihrer Webseite der freien Wohnungen an. Offenbar werden aber doch Wohnungen aktiv (?) vermietet, sind doch in letzter Zeit einige neue Mieter dort eingezogen. Denen man teilweise offenbar nicht erzählt hat, daß saniert werden soll und dann die Mieten steigen sollen. Um bis zu 60 %! Der Bezirk kann sich hier nicht dezent zurückziehen, hat er es doch seinerzeit versäumt, entsprechende Schutzklauseln in den Kaufvertrag mit Akelius hineinzuschreiben.

Mir persönlich sind übrigens Wohnungen in der Dernburgstraße bekannt, die auch Akelius gehören. Als ich las, welche Mieten dort aufgerufen werden, dachte ich spontan: die spinnen, die Schweden! Und ich wundere mich, daß offenbar doch immer noch neue Mieter gefunden werden. Ich vermute: Zugereiste, die mit dem Berliner Wohnungsmarkt noch nicht so richtig vertraut sind.

Ich sehe es jetzt als unsere Pflicht an, die Mieter zu unterstützen. Es gilt ja immer noch Artikel 14, Absatz 2 unseres Grundgesetzes. Daran sollte man Akelius immer wieder erinnern!

Thorsten Lüthke, auch Bezirksverordneter, vor Ort

Thorsten Lüthke, auch Bezirksverordneter, vor Ort

Das Grundstück in der Tile-Wardenberg-Straße, das Akelius auch bebauen will

Das Grundstück in der Tile-Wardenberg-Straße, das Akelius auch bebauen will

Kiezrundfahrt 5. Station: Zaun um den Vorplatz des Französischen Gymnasiums

Unsere Kiez-Rundfahrt näherte sich dem Ende, wir machten Station vor dem Französischen Gymnasium in der Derfflingerstraße. Die Sonne war schon verschwunden, es wurde langsam kalt! Die Gegend um das Gymnasium herum bis zur Kurfürstenstraße wird einschlägig genutzt: von Freiern und Prostituierten. Oder umgekehrt. Leider haben beide Gruppen keine große Ehrfurcht vor einer Bildungseinrichtung und verrichten ihr „Geschäft“ auch gerne auf dem Vorplatz des Gymnasiums, das von der Straße aus nicht einsehbar ist, da die „Villa Wuttke“ im Weg steht. Die Hinterlassenschaften künden am nächsten Morgen von dem munteren Treiben. Bisher haben sich die Mitarbeiter der Schule und das Bezirksamt darum gekümmert und vor Schulbeginn aufgeräumt. Keine angenehme Arbeit, wie man sich vorstellen kann.

Nun soll es der Zaun erweitert werden, der bereits um das Schulgelände existiert – von der Turnhalle an der „Villa Wuttke“ vorbei bis zur Einfahrt des Schulparkplatzes. Daß das ein „historisierender“ Zaun sein muß, darf mit Fug und Recht in Frage gestellt werden. Meiner Ansicht nach tut es ein normaler Maschendrahtzaun (der auch um das eigentliche Schulareal verwendet wurde) auch.

Die „Villa Wuttke“ heißt nach dem Baumeister, der im 19. Jahrhundert von Baron von Maltzahn mit dem Bau beauftragt worden war. Erstaunlich, daß sie nicht nach dem Auftraggeber heißt. Ein Schmuckstück dieses Gebäude. Sicherlich fallen dem Bezirksamt und/oder den Bezirksverordneten auch noch eine angemessene Nutzung ein, die möglicherweise dann auch dem Bezirkshaushalt so wichtige Einnahmen beschert.

Der Spielplatz in der Kurfürstenstraße neben der Französischen Grundschule hat bereits einen Zaun und eine Tür darin, die aber leider normalerweise immer offen ist und damit den o.g. Damen und Herren ungehinderten Zugang aufs Gelände ermöglicht. Zur Zeit ist die Tür verschlossen, da das Bezirksamt den Spielplatz umgestalten läßt. Aber was danach? Ein Schließdienst wäre wohl wünschenswert. Auch hier ist die Kreativität von Bezirksamt und Bezirksverordneten gefragt, eine Lösung zu finden. Die Gitterstäbe des Zauns und die Höhe sind leider so bemessen, daß auch bei verschlossener Tür der Park als Müllabladeplatz mißbraucht wird. Eine Schande.

Unsere vorletzte Station war dann vor der Allegro-Gundschule in der Lützowstraße, deren Tür im Zaun ebenfalls geöffnet war und viele, viele Leute einließ. Die offenbar auf dem Weg in die Turnhalle zum Sport waren. An einem Feiertag abends um kurz vor sieben. Löblich! Wir warfen dann auch noch einen kurzen Blick in die Gaststätte gegenüber, neben der Bibliothek Tiergarten-Süd. Leider ungenutzt, aber vermüllt. Wir werden auch da weiter aktiv sein und bohren, daß sich was tut!

Die letzte Station war dann eine Fahrt durch die Flottwellstraße, die ja mittlerweile sowohl auf Mitte- als auch auf Tempel-Schöneberg-Seite bebaut ist. Die Häuser auf der Tiergartenseite sind zu einem großen Teil schon bewohnt. Hier ist wirklich ein völlig neues Quartier entstanden. Mal sehen, wie es sich entwickelt. Spannend!

Vor dem Spielplatz, der neu gestaltet wird, in der Kurfürstenstraße

Vor dem Spielplatz, der neu gestaltet wird, in der Kurfürstenstraße

Was is? Die Unschuld vom Lande in der großen, verwirrenden Stadt... Ein kleiner Scherz!

Was is? Die Unschuld vom Lande in der großen, verwirrenden Stadt… Ein kleiner Scherz!

Thorsten Lüthke vor dem Spielplatz.

Thorsten Lüthke vor dem Spielplatz.

Thorsten Lüthke auf dem Vorplatz des Französischen Gymnasiums vor der "Villa Wuttke"

Thorsten Lüthke auf dem Vorplatz des Französischen Gymnasiums vor der „Villa Wuttke“

Thorsten Lüthke vor dem Eingang zum Französischen Gamnasium

Thorsten Lüthke vor dem Eingang zum Französischen Gamnasium

Man beachte: Ton in Ton mit der "Villa Wuttke"!

Man beachte: Ton in Ton mit der „Villa Wuttke“!

Der Parkplatz neben dem Französischen Gymnasiums - wird auch von gewissen Herren und Damen genutzt!

Der Parkplatz neben dem Französischen Gymnasiums – wird auch von gewissen Herren und Damen genutzt!

 

Stefan Draeger 05.10.2014

 
 

E-Mail-Abo

Bitte Mail-Adresse eingeben: