Mitte: Probleme und Perspektiven eines Bezirks

Veröffentlicht am 18.03.2019 in Stadtentwicklung

Am 12. März 2019 kamen auf Einladung der Berliner Morgenpost aus der SPD-Fraktion Mitte Vera Morgenstern, Nedim Bayat und die Fraktionsvorsitzende Martina Matischok sowie der Bürgerdeputierte Max Landero gemeinsam mit vielen Interessierten zur Podiumsdiskussion im Märkischen Museum: „Mitte: Probleme und Perspektiven eines Bezirks“.

 

Nach kurzer Ansprache durch den Kaufmännischen Direktor und Geschäftsführer des Stadtmuseums Berlin Marcus Kieper, der an die traditionsreiche Geschichte der „Vier Türme“ von Märkischem Museum, vom Museum der Nikolaikirche, dem Roten Rathaus und dem Stadthaus erinnerte und uns einen spannenden Abend in den Räumlichkeiten des Märkischen Museums wünschte, folgte im Anschluss noch eine Begrüßung durch den Chefredakteur der Berliner Morgenpost, Alexander Abel.

 

Zwei Zitate waren dem Abend vorangestellt:

 

Zum einen: „Geschichte findet jetzt statt“ und „Berlin ist die Stadt, die immer wird und niemals ist“.

 

 

Auf dem Podium saßen: Christian Latz (Berliner Morgenpost), Stephan von Dassel (Bezirksbürgermeister), Hajo Schumacher (Moderator), Katja Niggemeier (QM Brunnenstraße), Frank Millert (Leiter der Direktion 3 Kriminalitätsbekämpfung), Sebastian Bartels (Stellv. Geschäftsführer Mieterverein). 

 

Die Moderation wurde von Hajo Schumacher geleitet, der immer mal kritisch nachfragte und so die Diskussion aufrechterhielt.

 

Berlin Mitte ist am schnellsten von allen Berliner Bezirken gewachsen. Doch wann ist die Grenze erreicht? 

 

Wieviel Wohnraum oder Gewerberaum können wir noch umsetzen, wie viele neue Kitas und Schulen brauchen wir und wo können diese gebaut werden?

 

Mitte ist ein facettenreiches Abbild der Stadt Berlin. Bürgerinnen und Bürger und Touristen machen die Stadt aus. Was stört uns, was nicht? Bis auf wenige Ausnahmen fanden die Anwesenden, dass Touristinnen und Touristen uns nicht stören. Wir brauchen die Wirtschaftskraft. Allerdings können die Gäste der Stadt auch nicht machen, was sie wollen. Hier wären Erfahrungen aus anderen Metropolen wichtig für den Austausch.

 

Der Zuwachs an Wohnfläche ist schon enorm hoch. Wir bauen dort, wo gebaut werden kann. Aber auch die Privatwirtschaft bindet Kapazität in der Baubranche, Spezialfirmen beispielsweise zur Errichtung von Sportanlagen werden händeringend gesucht. 

 

Herr Bartels sprach von den Teilerfolgen der Fehlbelegungsabgabe. Nur muss noch intensiver hingeschaut werden. Wichtigstes Thema war die Zweckentfremdungsverbotsverordnung und ob alteingesessene Mietparteien wegen steigender Mieten jetzt umziehen müssen? Aber auch das Immobilien-Dealen ist zu unterbinden. Zimmer werden weiterhin vermietet, auch in der Wilhelmstraße wie von einer Mieterin berichtet. Er teilte mit, dass die Klagefreudigkeit der Mieter aus Angst vorm Vermieter, der Vermieterin abgenommen hat. 

 

Herr Bartels steht auf der Seite der Mieterinnen und Mieter und sagt nochmal eindringlich, dass er für Milieuschutz, das Vorkaufsrecht, die soziale Mischung, für bezahlbaren Wohnraum ist. Eine weitere Kappung der Modernisierungskostenumlage wäre schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. 

 

Angesprochen auf das aktuelle Geschehen um die Wohnungen in der Habersaathstr. bekräftigte er nochmals die Unterstützung des Mietervereins für die Mieter und bei der Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten durch den Bezirk. Der Senat hatte das Objekt zu Zeiten von Wohnungsleerstand und leerer Landeskassen für 2 Mio. Euro veräußert. Mittlerweile hat sich ein neuer Eigentümer für ca. das 10fache in den Besitz der Immobilie gebracht und möchte hier Luxuswohnraum errichten. Verbleibende Mieter werden mit Modernisierungsankündigungen mit drastisch erhöhten Mieten konfrontiert.

 

Eine Tauschbörse innerhalb der städtischen Wohnungsbaugesellschaften bei der GESOBAU, bei der HOWEGE, bei Stadt und Land, der Degewo, bei der Gewobag und der WBM wurde eingeführt, in welcher alle Mietparteien von Klein nach Groß und umgekehrt tauschen können. Ein Vorteil dabei ist, dass die alte Miete unverändert beibehalten bleiben muss. 

 

Von Dassel sagte, dass wegzukommen ist, vom Gedanken an ein Kinderzimmer pro Kind. Er findet es nicht schlimm, auf 46 qm zu dritt oder viert zu leben. In anderen Städten wie New York oder Tokio ginge das ja auch und da läge die Wohnfläche bei 20 qm pro Einwohner. Diese Variante gab es bereits in Berlin unter der Bezeichnung Mietskaserne mit 4 Hinterhöfen. Das kann nicht der Anspruch sein, auch wenn sich das anderenorts scheinbar bewährt. 

 

Alteingesessene Mietparteien müssen schon jetzt an den Stadtrand oder ins Umland ausweichen. Von Dassel kam da eine Idee, so wie es in Spanien üblich ist. Erst die Mietparteien dieser Stadt unterbringen, dann den Rest, wenn noch Platz ist. Ich hoffe mal, die Idee war nur ein kurzer Gedankensprung in die falsche Richtung.

 

Auch müsse darüber nachgedacht werden, wie andere Länder es unterbinden, dass ausländische Investoren mit Sitz im Ausland in der Stadt keine Häuser erwerben können, so von Dassel. Die soziale Verantwortung eines Immobilienbesitzes muss wieder in den Vordergrund gerückt werden. Am Ende sagte Herr von Dassel, „er ist der Befürworter von allem was wirkt und was gerichtlich durchsetzbar ist“.

 

Eine massive Herausforderung stellt für uns der Bau und die Modernisierung von Kitas und Schulen dar. Wo können noch Kitas, Schulen oder Spielplätze gebaut werden? Wir brauchen viel Fläche, um unsere Anforderungen bis zum Jahr 2020 zu erfüllen. Jedes Kind braucht einen Kitaplatz, jedes Kind, jeder Jugendliche braucht seinen Platz im Schulsystem. 

 

Wirtschaftlich ein Boom. Aber wohin mit allen Unternehmungen? Eine Möglichkeit wäre, die Unternehmen an den Stadtrand zu schicken. Allerdings ist die Hot Spot Lage von Mitte im Moment das Hauptargument für gewerbliche Ansiedlungen. 

 

Nächstes Problem neben der häufigen Drogensucht ist die Prostitution insbesondere im Kürfürstenkiez, wo es egal ist, ob sich da eine Kita, Schule, eine Freizeiteinrichtung oder eine sonstige Sozialeinrichtung angesiedelt hat. Wir wollen eine saubere Stadt auch in Berlin Mitte. Die Beseitigung der Kondome und der Fäkalien ist ein großes Problem. Wohin mit den „Artikeln“ aus der Sexarbeit? Auch die Sprecherin der Initiative Tiergarten Süd ist am Ende mit ihrem Latein. Einen Sperrbezirk, wie in vielen anderen Städten, gibt es nicht. Herr von Dassel teilte mit, dass das Land Berlin darüber entscheiden müsste. Damit war das Thema dann auch vom Tisch.

 

Kann das QM die Entwicklung eines Gebiets positiv beeinflussen? Frau Niggemeier beklagte sich über den zunehmenden Drogenhandel, der jetzt auch unter Jüngeren wächst. Auf die Frage, was für schulische Projekte im Rahmen der Stadtentwicklung sie einführen könnte, wurde geantwortet, dass sie selbst in der Schülerinnen- und Schülervertretung ist und ihr die Angaben vom BA zugeschickt werden könnten, die sie dann einbringen würde. Ansonsten sagte sie, dass es kein Gewerbe vor Ort gibt, aber viele Probleme im Brunnenviertel ? Allerdings ist an der Willy-Brandt-OS durch Wechsel der Schulleitung und Schulhausmeister eine Verbesserung in der Sozialstruktur eingetreten. 

 

Es gibt derzeit 60% von Kindern und Jugendlichen in Transferhaushalten. Hier müsste angesetzt werden. Vielleicht reicht ja ein Wechsel der Leistung auch hier aus. Erschreckend aber, dass von „Berufs-Hartz IV Empfangenden“ und „ganzen Sozialhilfedynastien“ gesprochen wurde. 

 

Ist Mitte noch sicher, wie sieht die Alltagskriminalität in Mitte aus und sollten Gegenden gemieden werden? Der Alexanderplatz ist noch immer der Ort der stärksten Kriminalität, er fällt auf wegen der meisten Straftaten. Drogen und ihr Handel sind an vielen Orten, insbesondere den U-Bahnlinien 8 und 9 stark angestiegen. Viele Straftaten gibt es aber auch an allen anderen Orten, die nicht als kriminalitätsbelastet eingestuft sind. Der Vertreter der Polizei Herr Millert teilte mit, dass er zu wenig Personal hätte und nur dort handeln kann, wo die Polizei gerade gebraucht wird. Allerdings wird die Statistik von der Arbeit der Polizei gestaltet: Viel Präsenz an einem Ort bedeutet mehr registrierte Straftaten. Weniger Präsenz bedeutet aber nicht automatisch weniger Delikte. Videoüberwachung ist eine Möglichkeit, Straftaten aufzudecken, aber nicht die einzige Lösung. Mehr Personal würde auch die Präsenz der Polizei auf den Straßen erhöhen.

 

Thema war auch die Parkraumbewirtschaftung durch das Ordnungsamt; weshalb die Hundehaufen nicht geahndet werden, aber Falschparker durchaus. Herr von Dassel erklärte den Unterschied in der Bezahlung und dass die Aufgaben dadurch nicht von allen Angestellten ausgeführt werden können. Insgesamt leidet der Bezirk am Arbeitskräftemangel, da es attraktivere Arbeitgeber wie Land, Bund und Privatwirtschaft in Mitte gibt. 

 

Inwiefern bleibt Berlin die „grüne Stadt“, können „grüne Oasen“ erhalten bleiben? Was bedeutet dies für das Klima in Berlin Mitte? Ideen gibt es viele, nur werden kleinere Orte auch dafür gebraucht. Vor allem sollten aber bereits vorhandene Grünanlagen erhalten werden, insbesondere unsere Kleingärten. 

 

Eine Chemikerin sprach vom Flussbad und dass sie überall nur abgewimmelt wird. Sie ist der Meinung, dass in dem Gewässer Gefahr droht, keiner aber helfen will. Auch das Radverkehrsgesetz beschäftigte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Diskussion, ebenso die erlebte Gentrifizierung und die gefühlte Dominanz von Projekten des Bundes im Bezirk. Insgesamt war deutlich spürbar, wie konkret die Herausforderungen des Bezirks von seinen Bewohnerinnen und Bewohnern erfahren werden. Lösungen gab es auch vom Podium nicht unbedingt. Doch vor allem war Engagement im Raum, Bereitschaft, sich einzubringen und zu unterstützen. 

 

Herr Latz von der Berliner Morgenpost fasste nochmal alles zusammen und sprach über seine Erfahrungen im Bezirk Mitte und darüber, wie der Ortsteil Mitte lebens- und liebenswert werden und bleiben kann.

 

Martina Matischok

13.03.2019

 
 

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