Zukunftsort Brunnenstraße 64: Der Supermarkt als Infrastruktur für die Entwicklung der Kreativwirtschaft im Brunnenviert

Veröffentlicht am 28.10.2013 in Wirtschaft

Zukunftsort Brunnenstraße 64: Der Supermarkt als Infrastruktur für die Entwicklung der Kreativwirtschaft im Brunnenviertel

Fast ein Jahr nach Eröffnung des Supermarkts ist es Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen und die Wirkenden und ihr Schaffen kennen zu lernen.

Der Wirtschaftsausschuss der BVV – Mitte tagte daher am 28. Oktober in den Räumlichkeiten des Supermarkts in der Brunnenstraße 64. Die Führung durch den Abend erfolgte durch die Gründungsmitglieder Ela Kagel und Zsolt Szentirmai sowie die Vertreterinnen von Förderband, Frau Baumann und Frau Hübner. Herr Tolan, Leiter der Wirtschaftsförderung, gab Einblick aus Sicht der Verwaltung.

Im Rahmen des EFRE geförderten WDM Programms entstand im Mai 2012 das Projekt „Zukunftsort Brunnenstraße 64“ mit einer Förderlaufzeit von drei Jahren. Durch Auszug eines Lebensmittelsupermarktes aus den Räumlichkeiten in der Brunnenstraße 64 stand der Gewerberaum lange Zeit leer. Leerstand ist im Brunnenviertel leider vielerorts sichtbar. Umso wichtiger ist es daher, Wirtschaftsunternehmen für das Viertel zu interessieren.

Ela Kagel, Projektgründerin neben Zsolt Szentirmai und David Farine, wurde als erfahrende und bekannte Kuratorin auf die leerstehende Gewerbefläche aufmerksam. Die  DEGEWO als Vermieter der Räumlichkeiten des „Supermarkts“ bzw. Verwalter der Co-Working-Studios und die Wirtschaftsförderung Mitte als Projektgeber und –beobachter begeisterten sich für die Idee der Ansiedlung digitaler Kultur in Verbindung mit der Entstehung der Marke „Brunnenviertel“.

Das Projekt „Zukunftsort Brunnenstraße 64: Der Supermarkt als Infrastruktur für die Entwicklung der Kreativwirtschaft im Brunnenviertel“ erhielt die Förderung aus EFRE Mitteln. Die erforderliche Kofinanzierung erfolgt aus privater Hand durch Förderband als Projektträger. Die Gründerinnen und Gründer wirken als GbR mit mittlerweile um 15 Festangestellte zuzüglich Honorar- und Werkvertragskräften nach Bedarfen.

Ab Mai 2012 ging es in die Umsetzungsphase zur Entstehung des Supermarkts für Medien und Kultur. Die Eröffnung des Supermarktes als Ort für den Handel mit kreativen Ideen, als Ort der Inspiration, als Ort für Veranstaltungen und Workshops war mit über 300 Gästen ein großer Erfolg, der mit entsprechendem Presseecho den Weg für einen gelungenen Start ebnete. Unter dem Motte „Vernetzen – sichtbar machen – Räume schaffen“ erfolgte die konzeptionelle Umsetzung des Projekts.

Der Supermarkt ist in vier Zonen eingeteilt. Es handelt sich dabei um den Cafe- und Barbereich, die Co-Working-Zone, die Konferenz-Zone und die Workshop-Zone. Auf einer Fläche von 600 qm bietet der Supermarkt damit Raum für Informationen, Vernetzung und Ideenaustausch zur Entwicklung der Marke „Brunnenviertel“. Die Kellerraumfläche wird als Arbeitsraum des festangestellten Teams der GbR von ca. 15 Menschen genutzt, so entstanden u. a. ein Tonstudio und Produktionsräume z. B. zur Herstellung von Möbeln. Vier angrenzende Co-Working-Studios bieten weitere Fläche für Präsentationen, Diskussionen und Begegnungen. Regelmäßig werden Netzwerk-Events, z. B. Entwicklertage, Buch- und Magazinsprints in kollaborativer Handlung angeboten. Für Konferenz-Settings besteht Platz für bis zu 180 Personen in Verbindung mit der notwendigen Veranstaltungstechnik. Bis zu 300 Personen können an künstlerischen Events u. a. Vernissagen teilnehmen.

Die vier Co-Working-Studios bieten reichlich Platz für z. B. Start-Ups, für FreiberuflerInnen und alle ideenschwangeren Menschen, die sich noch austauschen möchten. Zu diesem Zweck können flexible oder feste Tische mit Stauraum oder ohne angemietet werden. Ein großer runder Arbeitstisch zum Beispiel bietet Platz für bis zu 12 Personen. Auch das Probearbeiten in den Studios ist möglich.  Wer Interesse hat, kann an veranstaltungsfreien Tagen auch nur mal so vorbeischauen, um Kaffee zu trinken, die Bibliothek zu nutzen, sich zu Workshops dazuzusetzen oder über Ausgestelltes wie Möbel oder Prototypen im Showroom staunen. Ein Drittel der Veranstaltungen sind für Jederfrau und Jedermann offen und kostenlos. Ein weiteres Drittel der Events sind mit geringem Kostenanteil, teils mit freiwilligen Spenden, zugänglich. Das letzte Drittel der Angebote ist kommerzieller Natur und dient derzeit der wirtschaftlichen Projektfinanzierung neben den EFRE Mitteln. Vermietet wird u. a. an den Berliner Senat, die deutsche Telekom, die BVG, das Fraunhofer Institut und die Heinrich-Böll-Stiftung.

Der Supermarkt als wirtschaftsdienliche Maßnahme –WDM- hat zur Aufgabe die Zusammenarbeit zu fördern, Gemeinsamkeiten zu schaffen und Netzwerke zu bilden, um im Nebeneffekt Menschen für das Brunnenviertel zu interessieren. Gleichzeitig soll das Viertel durch die ansässige Kreativwirtschaft aufgewertet werden. Die vielen bereits durchgeführten Veranstaltungen gaben Einblick, Überblick und vertieftes Wissen in Bereiche des selbständigen Arbeitens, sie unterstützten damit den Aufbau von unternehmerischem Know-How junger Unternehmen, sie trugen zur Netzwerkbildung verschiedenster Unternehmen im Bereich der Kreativwirtschaft bei. Ein beispielhaftes Projekt ist u. a. DIY Masterclasses als Fortbildung verschiedenster Finanzierungsszenarien.

Die soziale Balance im ausgewogenem Gleichgewicht der Nutzung des Supermarkts und der Co-Working-Studios durch Frauen und Männer ist den Gründungsmitgliedern und Koofinanzierungsunternehmen gleichermaßen wichtig. So wird forciert, dass die Räume von Frauen genauso wie von Männern angenommen werden. Bislang nahmen das Angebot des Supermarkts auswärtige Zielgruppen wahr, nach und nach kann aber festgestellt werden, dass sich immer mehr ansässige Menschen interessieren. Einen Beitrag der nachbarschaftlichen Vernetzung und Bekanntmachung des Supermarkts insbesondere bei Frauen mit Migrationshintergrund leistet beispielsweise Zehra Özdemir (Gründerin und Geschäftsführerin der Destiny Diversity Academy, einer Weiterbildungsorganisation, die Bildungsangebote von Migrantinnen für Migrantinnen vermittelt).

Beim sogenannten Freitagsfrühstück werden jeden Freitagmorgen Projekte insbesondere aus der Nachbarschaft vorgestellt, z. B. am 18.Oktober unter dem Motto „Jenseits des Klischees von der Digitalen Bohème: Strukturen für Freiberufler im Brunnenviertel“. An diesem Tag stellten sich vier Frauen vor, die im Brunnenviertel Strukturen für Freiberuflerinnen unterstützen und etablieren, darunter Zehra Özdemir. Der Supermarkt ist Mitglied in städteübergreifenden Netzwerken wie „Initiative Stadt Neu Denken“, „Netzwerk Freier Projekträume“ und „RE: Source Netzwerk“.

Ein großer Erfolg für den Kiez ist die damit verbundene Werbung für das Brunnenviertel. Mindestens einmal monatlich ist das Brunnenviertel durch den Supermarkt und dessen Aktionen in der lokalen Presse vertreten und mehrmals jährlich wird der Kiez damit überregional publiziert. Es kommen Menschen aus dem Kiez, der nahen Umgebung, aber auch aus entfernten Teilen Berlins, die den Weg ins Viertel ohne den Supermarkt wahrscheinlich nie genommen hätten. Der kontinuierliche Zuwachs an Interessierten für das „Projekt Zukunftsort Brunnenstraße 64: Der Supermarkt als Infrastruktur für die Entwicklung der Kreativwirtschaft im Brunnenviertel“ spricht für den Erfolg.

Mit Ende der Förderung im Mai 2015 wird das Projekt aller Wahrscheinlichkeit nach auf eigenen Beinen stehen. Allerdings ist Voraussetzung dafür, dass 70% kommerzielle und 30% offene und kostenlose Events angeboten werden. Es bedarf aber daneben einer verlässlichen Aussage des Vermieters / Verwalters über die künftigen Mietkonditionen des Supermarktes und der Co-Working-Studios. Es existieren für den Supermarkt mit der DEGEWO als Eigentümer und Verwalter und für die Co-Working-Studios mit der DEGEWO lediglich vom Eigentümer der Gewerberäume als Verwaltung eingesetzt unterschiedliche Verträge. Die Vertragsgestaltung nach Beendigung der laufenden Verträge ist unklar. Klar ist nur, dass sich die Konditionen durch Erhöhung ändern werden. In welchem Umfang die Erhöhung sein wird, ist unbekannt. Die Ungewissheit verunsichert. Die DEGEWO selbst wird wahrscheinlich einen Gewerbevertrag mit fairer Gewerbemiete abschließen. Einerseits aus jahrelangem sozialen Engagement, andererseits kalkulatorisch mit dem Wissen der Steigerung der Attraktivität des Umfeldes ihres Wohneigentums durch die GbR als Unternehmen der Kreativwirtschaft mit positiver Sogwirkung. Die DEGEWO wird sich nach Aussage von Herr Szentirmai beim Eigentümer der Co-Working-Studios entsprechend für eine fördernde Vertragsgestaltung einsetzen. Inwieweit die Vermietung überhaupt und zu welcher Vertragsgestaltung diese erfolgt, muss abgewartet werden. Es muss unbedingt Sicherheit hinsichtlich der Mietkonditionierung geschaffen werden, um nach vorne gerichtet den Zukunftsort Brunnenstraße als Standortwerbung für viele weitere tolle Ideen vermarkten zu können. Ziel muss sein, eine Kiezaufwertung ohne Verdrängung zu erreichen, auswärtige Zielgruppen anzusprechen, aber vor allem die Nachbarschaft einzubinden.

Martina Matischok

28.10.2013

 
 

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