Kann die Seniorenfreizeitstätte am Leopoldplatz ihre Arbeit fortsetzen? Schon in der Iranischen Straße und der Rheinsberger Straße mussten in den vergangenen Monaten Einrichtungen geschlossen werden. Jetzt besteht die Gefahr, dass die erfolgreichste Seniorenfreizeitstätte in Berlin-Mitte mit den meisten Besucherinnen und Besuchern geschlossen werden muss.
Seit einem Jahr liegt ein Gutachten vor. Es besteht Gefahrenstufe 1 wegen Asbests. Thorsten Lüthke, Vorsitzender des Ausschusses für Soziales und Bürgerdienste, berichtet über den Sachstand und seine Anstrengungen, einen neuen Ort für die Fortsetzung der Arbeit zu finden.
Das Haus in der Schulstraße 118 ist ein einfacher Behelfsbau: Es entstand als Passierscheinstelle für Besuche von Bürgerinnen und Bürgern aus Berlin(West) in der DDR und wurde mitten einer ausgewiesenen Grünanlage errichtet.
Das Gebäude hat eine typische Leichtbauweise. Zur Wärmeisolierung wurde Asbest eingesetzt, aber der Bau hat seine Lebenszeit seit Langem erreicht.
Ganz anders dagegen geht es den Weddingerinnen und Weddingern, die das Haus seit vielen Jahren nutzen. Der Verein Selbst-Hilfe im Vor-Ruhestand e.V. betreibt dort seit Ende der 1990er Jahre eine Seniorenfreizeitstätte. Über 40 Gruppen bestehen, die in den rund 450 Quadratmetern ein vielfältiges Angebot für sich selbst organisieren. Sport- und Bewegungsangebote finden im Gymnastikraum statt, in einem Besprechungsraum tagen Gremien und Vereine. Ein Computerraum bietet die Vernetzung zwischen den Generationen, denn es sind Jugendliche, die den Älteren den Umgang mit der Technik erklären.
Dazu besteht ein sehr großer Gruppenraum, der weit über 100 Personen an Tischen und Stühlen Platz zum Sitzen gibt.
Viele Seniorinnen und Senioren nehmen mehrere Angebote wahr, damit besteht auch ein enger Zusammenhang zwischen den Gruppen. Gedächtnistraining, Tischtennis, Kaffeetafel … usw.
Eine große Leistung des Vereins Selbst-Hilfe im Vor-Ruhestand e.V. ist die Integration: Im Wedding sind Menschen mit und ohne Migrationshintergrund auf den Straßen gleichberechtigt vertreten, der eine kauft beim anderen ein. Diese erfolgreiche Nachbarschaft lassen aber viele Angebote noch vermissen. In der Schulstraße 118 ist dies anders, denn alte und neue Weddinger, die ihre Wurzeln und fern von Berlin haben, nehmen die Angebote gleichermaßen wahr.
Schließung der Schulstraße 118 – warum?
Das ganze Angebot und der Zusammenhalt der Gruppen sind nun in Gefahr, weil das Haus Schulstraße 118 nicht erhalten bleiben kann:
Im Jahr 2010 hatte das Bezirksamt erwogen, die bestehenden Seniorenfreizeitstätten an die Träger zu übergeben, um die Angebote dauerhaft mit demselben Zweck zu erhalten und mehr Sicherheit für die Seniorinnen und Senioren zu schaffen. Dafür waren Gutachten in Auftrag gegeben worden, um die Bausubstanz der Gebäude zu prüfen.
Für die Schulstraße 118 liegt seit Sommer 2011 ein Gutachten vor, das „Gefahrenstufe 1“ für die Bausubstanz des Hauses bescheinigt. Eine intensive Belastung mit Asbest macht eine Sanierung erforderlich, die innerhalb von damals zwei Jahren abgeschlossen sein muss. Gleichzeitig ist der Behelfbau gut geheizt, aber schlecht isoliert. Eine energetische Sanierung wäre erforderlich. Und schließlich steht der Pavillon in einer ausgewiesenen Grünanlage, denn er sollte ja nur wenige Jahre Bestand haben.
Meine persönliche Bilanz steht nach den Beratungen über den Haushalt 2012/2013 damit eigentlich fest: Weder hat der Bezirk Mitte das Geld für die Sanierung, noch werden wir in der Grünanlage ein neues Gebäude errichten können. Aber die Arbeit, die Gruppen und der Zusammenhalt müssen erhalten werden.
Die Ergebnisse des Gutachtens liegen auch dem Verein Selbst-Hilfe im Vor-Ruhestand e.V. bereits seit vergangenem Sommer vor.
Sitzung des Ausschusses für Soziales und Bürderdienste in der Schulstraße 118
Der Ausschuss für Soziales und Bürgerdienste hatte vor den Sommerferien auf meinen Vorschlag vereinbart, das Thema „Seniorinnen und Senioren in Mitte“ zum Schwerpunkt seiner 11. Sitzung am 14. August 2012 zu machen.
Wegen der angekündigten Schließung der Seniorenbegegnungsstätte in der Schulstraße 118 hatte ich mich dazu entschlossen, dorthin einzuladen. Wegen der möglichen Gesundheitsgefährdung hatte ich bei den Ausschussmitgliedern vor der Einladung nachgefragt.
Schwerpunkt der Ausschusssitzung sollten die Bereiche der Mitwirkung von Seniorinnen und Senioren, der Angebote und Hilfen für ältere Menschen und dabei speziell der Hilfeangebote für Seniorinnen und Senioren in Krisensituationen sein.
Vor der Ausschusssitzung war ein Kaffeetrinken für interessierte Seniorinnen und Senioren mit Ausschussmitgliedern angekündigt worden. Dies entwickelte sich jedoch sehr schnell zu einer Diskussion zwischen 100 Seniorinnen und Senioren auf der einen Seite und sehr wenigen Ausschussmitgliedern – hauptsächlich mir. Als Ausschussvorsitzender traf mich das nicht unberechtigt.
Aber es ging mir darum, dass ältere Menschen, die ihr Leben lang im Beruf und für ihre Familien gearbeitet haben, sicher sein können, alle Antworten zu ihrer Seniorenbegegnungsstätte zu erhalten.
Insgesamt wurden fünf Fragen formuliert, die von mir zu Beginn der Sitzung des Ausschusses an Herrn Bezirksstadtrat von Dassel gestellt wurden:
In der weiteren Diskussion hat der Ausschuss einen Antrag beschlossen:
„Beschluss des Ausschusses für Soziales und Bürgerdienste (11. Sitzung) für die 10. Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung
Erhalt des Angebots der Seniorenfreizeiteinrichtung Schulstraße 118
Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:
Das Bezirksamt wird ersucht, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die bisherige Arbeit der Seniorenfreizeiteinrichtung Schulstraße 118 zu erhalten.
Dafür ist in kürzester Zeit ein neuer Standort zu suchen, auf den folgende Kriterien zutreffen:
In der Seniorenfreizeiteinrichtung in der Schulstraße 118, die vom Freien Träger Selbst-Hilfe im Vor-Ruhestand e.V. betrieben wird, findet eine vielfältige und ausgezeichnete Arbeit statt, die insbesondere Seniorinnen und Senioren mit Migrationshintergrund erfolgreich einbezieht. Daher wird das Bezirksamt dringend ersucht, den vorhandenen Standort nicht aufzugeben, bevor nicht übergangslos ein neuer Standort zur Verfügung steht, sofern nicht unmittelbare gesundheitliche Gefahren dem entgegenstehen.“
Seit wann ist bekannt, dass der Standort aufgegeben werden musste und wie verlief die Suche nach Alternativen im Bezirksamt?
Der Ausschuss für Soziales und Bürgerdienste war ausweislich des Protokolls der 49. öffentlichen Sitzung bereits am 16. August 2011 informiert worden. Aus der Mitte des Ausschuss waren damals auch Vorschläge für neue Standorte gemacht worden:
„Herr BzStR von Dassel berichtet über die Seniorenfreizeitstätten. Die Träger sollten diese in Erbbaupacht übernehmen. Die Träger treten dem skeptisch gegenüber. Voraussetzung war, dass man ein Bau- und Schadstoffgutachten bei den einzelnen Einrichtungen erhebt, um zu schauen, um was für ein Gebäude es sich handelt. Ein Gutachten liegt für das Gebäude in der Stralsunder Straße vor. (Sanierungsbedarf in Höhe von 5.000,00 €).
Im Gebäude Schulstraße wurde eine Asbestbelastung festgestellt. Der Sanierungsaufwand wird mit 135.000,00 € eingeschätzt. Das Bezirksamt Mitte wird diese Einrichtung aufgeben müssen.“
(TOP 4.1 des Protokolls der 49. Sitzung, III. Wahlperiode)
Bereits im April hatte Herr Bezirksstadtrat von Dassel in der Antwort auf die von mir eingebrachte Große Anfrage 0275/IV „Zukunft der Seniorenfreizeitstätten“ in der BVV zur Suche von Alternativen Standorten mitgeteilt:
„Die Einrichtung ‚Schulstr. 118’ muss in 2013 zwangsläufig geschlossen werden, da ein Schadstoffgutachten eine Asbestbelastung mit dringendem Sanierungsbedarf festgestellt hat und die Kosten für eine Asbestsanierung mit 136.000 € veranschlagt. Das Bezirksamt hatte daher Verhandlungen mit der Stiftung Hospitäler zum Heiligen Geist und St. Georg aufgenommen, die die Seniorenwohnhäuser in der Reinickendorfer Straße/Ecke Osloer Straße verwaltet.
Nach Vorstellung des Bezirksamtes hätte der dortige Freizeitbereich durch eine „bezirkliche“ Seniorenfreizeitstätte sowohl zeitlich wie inhaltlich ausgeweitet werden können. Die Verhandlungen scheiterten aber, da die Stiftung, und insbesondere die für die Stiftung tätige Diakonie, dem Bezirksamt bzw. dem vom Bezirksamt beauftragten Trägr nicht bereit war, die Raumnutzung verbindlich zuzusichern und sich gleichzeitig bei allen Angeboten eine inhaltliche Mitsprache vorbehalten hatte.
Auch eine ehemalige Freizeitstätte in der Iranischen Straße kann zum Bedauern des Bezirksamtes als eigentlich gut geeigneter Ersatzstandort nicht genutzt werden. Hier konzentriert sich jetzt die Verwaltung der lokalen Angebote der Diakonie.“
(Antwort des Bezirksamtes auf die Große Anfrage 0275/IV vom 24. April 2012.)
Enger Kontakt mit dem Träger und den Betroffenen und weitere Suche nach Alternativen
Ich habe in der vergangenen Woche über 100 Seniorinnen und Senioren erlebt, für die die Seniorenfreizeitstätte in der Schulstraße 118 ein wichtiger Teil ihres Lebens ist. Sie haben haben hart gearbeitet und dennoch haben einige von ihnen keine hohe Rente.
Gerade die Hochbetagten sind nicht mehr mobil. Sie brauchen einen Anlaufpunkt in unmittelbarer Nähe, denn schon wenige hundert Meter sind für sie schwer zu überwinden.
Und sie alle haben das Recht zu erfahren, welche Standorte geprüft wurden und welches Ergebnis sich dabei herausgestellt hat.
Nach der Ausschusssitzung bin ich zwei weitere Tage im Kiez unterwegs gewesen, habe mit dem Sanierungsbeauftragten aus dem Aktiven Zentrum Müllerstraße und dem Vor-Ort-Team im Quartiersmanagement Pankstraße gesprochen.
Mir sind mehrere bezirkliche Gebäude in unmittelbarer Nähe aufgefallen, bei denen ich herausfinden möchte, ob dort Raumkapazitäten bestehen. Dafür habe ich die drei zuständigen Stadträte, die für diese Gebäude zuständig sind, angeschrieben. Zwei Besichtigungstermine liegen bereits hinter mir, darüber habe ich auch bei Selbst-Hilfe im Vor-Ruhestand e.V. bereits berichtet.
Das Thema wird uns sicher noch längere Zeit beschäftigen, bis wir eine echte Lösung für die Menschen gefunden haben.