Flüchtlingsunterkunft Levetzowstraße

Veröffentlicht am 18.01.2014 in Integration

Flüchtlingsunterkunft Levetzowstraße: Drama ohne Ende

Die Flüchtlingsunterkunft

Die Flüchtlingsunterkunft

Wie geht es weiter mit dem Flüchtlingswohnheim in der Levetzowstraße? Auf der Mitgliederversammlung der SPD Alt-Moabit im November erläuterten engagierte Bürgerinnen und Bürger ihre Erfolge in den Moabiter Flüchtlingswohnheimen, wiesen aber auch auf ihre erheblichen Konflikte mit dem privaten Heimbetreiber GIERSO in der Levetzowstraße hin. Dieser wurde vom für die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern fachlich zuständigen Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGESO) mit dem Betrieb des Heimes beauftragt. Mittlerweile haben die Bürgerinnen und Bürger, die sich für die Flüchtlinge engagieren wollten, Hausverbot erhalten.

Das Beispiel eines anderen Moabiter Flüchtlingswohnheimes, untergebracht im ehemaligen Vermessungsamt Alt-Moabit 82c und vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) betrieben, macht deutlich, was bürgerschaftliches Engagement für Flüchtlinge bewegen kann. Die Initiativen verbesserten die Ausstattung, organisierten Kleider- und Spielzeugspenden, gaben Unterricht und vieles mehr – alles in Abstimmung mit dem Betreiber und zum Wohle der Flüchtlinge. Diese Unterstützung bleibt den im ehemaligen Kleist-Gymnasium in der Levetzowstraße untergebrachten Menschen derzeit verwehrt.

Diese unbefriedigende Situation nahm Thomas Isenberg, MdA und gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, zum Anlaß, das Gespräch mit dem LAGESO zu suchen, das Teil der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales ist. Begleitet wurde er vom Moabiter Bezirksverordneten Axel Vierhufe, der als Mitglied der Ausschüsse für Soziales und Bürgerdienste sowie für Integration in der BVV Mitte bereits seit Monaten mit der Thematik befaßt ist. Beim Gespräch mit LAGESO-Präsident Franz Allert am 17. Januar 2014 wurde deutlich, daß nicht alle Defizite behebbar sind.

Im Nachhinein muß kritisch hinterfragt werden, ob das Gebäude für die Unterbringung von Flüchtlingen überhaupt geeignet ist. Denn ein ganz wesentliches Problem, so LAGESO-Chef Allert, läge in der 1927-29 erbauten und seitdem wenig sanierten Örtlichkeit selbst. Zunächst habe man das Gebäude nur als „Not-Not-Reserve“ vorhalten wollen, benötigte die Flächen dann aber doch zur ständigen Unterbringung von Flüchtlingen. Für eine Unterbringung an anderen Standorten, etwa in Wohnungen, gäbe es nicht ausreichend Angebote. Man habe aber einerseits bereits die Zusammenarbeit mit Wohnungsbaugesellschaften vereinbart und biete auch die Vermittlung von Wohnungen für Flüchtlinge an, sofern diese bereits die ersten Schritte des Aufnahmeverfahrens hinter sich hätten. Die Flüchtlinge selbst könnten auch beim LAGESO vorstellig werden, wenn sie selbst eine Unterkunft außerhalb eines Flüchtlingswohnheimes gefunden hätten, was allerdings schwierig sein dürfte.

Im vergangenen Jahr seien bereits über 700 Personen in Wohnungen untergebracht worden, so LAGESO-Präsident Allert. Klar ist: Die Unterbringung in Wohnungen (Berechnung pro qm und Monat) verursacht geringere Kosten als die Unterbringung im Flüchtlingswohnheim (Berechnung pro Kopf und Tag), selbst unter Einbeziehung von Nebenkosten, Ausstattung und Verpflegung.

Insbesondere der unzureichende Brandschutz des Gebäudes in der Levetzowstraße mache es erforderlich, daß rund um die Uhr Wachschutzunternehmen mit der Brandwache beauftragt seien. Für diese personal- und zeitintensive Tätigkeit wird Honorar gezahlt, bezogen auf den für die Unterbringung von Flüchtlingen pro Person zu veranschlagenden Satz mache dies einen erheblichen Teil der Summe aus, der somit natürlich nicht mehr für andere Aufgaben genutzt werden kann, aber auch nicht – wie häufig angenommen – als Gewinn beim Betreiber GIERSO verbleibt.

Derzeit arbeitet GIERSO ohne Vertrag, dieser sei jedoch in Vorbereitung. Als LAGESO sei man froh, so Allert, unter den an der Levetzowstraße gegebenen Bedingungen überhaupt einen Betreiber gefunden zu haben.

Während die Betreiber anderer Standorte in der Regel wissen, wie lange der Betrieb gesichert ist, gibt es für die Flüchtlingsunterkunft in der Levetzowstraße keine Mindestbetriebsdauer. Der Grund hierfür liegt darin, daß der Senat das Gebäude nach umfangreicher Sanierung für eine Internationale Schule nutzen will. Wann das geschehen soll, ist völlig offen. GIERSO muß ständig damit rechnen, den Betrieb an diesem Standort kurzfristig aufgeben bzw. verlegen zu müssen. Dies hat fatale Auswirkungen: An Standorten, die mit einer Mindestbetriebsdauer betrieben werden, können auch bauliche Investitionen getätigt und über die Laufzeit abgeschrieben werden. In der Levetzowstraße wird anders verfahren, deshalb wird in die Verbesserung der immobilen Ausstattung wenig bis gar nicht investiert. Es scheint kaum wirtschaftlich haltbar, lieber – wie oben dargestellt – dauerhaft in Brandwachen, also Kosten des Betriebs, zu investieren als einmalig in eine Verbesserung des Brandschutzes, also der immobilen Ausstattung.

Natürlich schrecken die Gegebenheiten auch Betreiber ab. Allert findet vor diesem Hintergrund wenig Verständnis für eine der Hauptforderungen der Initiative „Neue Nachbarschaft“, den Auftrag an GIERSO zu kündigen und einen anderen Betreiber zu suchen.

LAGESO-Präsident Allert führte weiter aus, daß mittlerweile ein Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern, die sich engagieren wollten, bestehe und bereits mehrere Gespräche stattgefunden hätten. Auch Akteneinsicht sei in Teilen gewährt worden, die keine Personal- und Finanzangelegenheiten enthielten. Ein wesentlicher Teil der Kritik der Bürgerinnen und Bürger war jedoch, daß der Betreiber GIERSO einzelne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an mehreren seiner Heimstandorte einsetzen soll, aber jeweils einzeln abrechnen soll- falls dies zuträfe, wäre das Abrechnungsbetrug. Belege hierfür liegen freilich noch nicht vor. Die Unklarheit in dieser Frage sorgt jedoch für großes Mißtrauen und trägt nicht zur Entspannung der Situation bei.

Darüber hinaus sei das LAGESO mittlerweile aktiv geworden, die Situation in den Wohnheimen in Augenschein zu nehmen, nachdem dies in Berlin über zwei Jahrzehnte unterblieb. Die hierfür erforderlichen Strukturen mußten erst geschaffen werden, schließlich habe es auch nie Beschwerden über Zustände gegeben.

Auch wenn mittlerweile einige akute Mängel behoben werden konnten, etwa die Ausstattung mit Waschmaschinen, so sieht LAGESO-Präsident Allert derzeit wenig Spielraum, in Anbetracht der Maximalforderungen der Initiative „Neue Nachbarschaft“ eine Befriedung der Situation herbeiführen zu können. Das bedeute jedoch nicht, das das LAGESO den Einsatz von Menschen aus dem Stadtteil nicht zu schätzen wisse. Im Gegenteil, sollten sich Bürgerinnen und Bürger finden, die mit dem Heimbetreiber GIERSO zusammenarbeiten wollten, so würde das LAGESO diese Initiativen bestmöglich unterstützen. Die Voraussetzung, vor dem Beginn des Engagements zunächst einen anderen Betreiber zu suchen, sei nicht zu erfüllen, so LAGESO-Präsident Allert klar.

Wesentliches Problem am Standort Levetzowstraße ist die Unklarheit über die Planungen für die Internationale Schule. Erst wenn klar ist, wann diese kommen wird, wissen alle Beteiligten, wie lange der Standort als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden kann. Nur unter dieser Voraussetzung ließen sich Investitionen in die bauliche Situationen wirtschaftlich sinnvoll planen. Hier ist klar der Senat von Berlin gefordert. Der Betrieb unter Beibehaltung der jetzigen baulichen Gegebenheiten verursucht letztlich erhebliche Kosten, ohne daß die Flüchtlinge selbst hiervon einen direkten Nutzen haben, etwa in Form von Ausstattung, Betreuung oder Beschulung.

Der Bezirk Mitte ist in dieser Situation nahezu machtlos. Das LAGESO ist eine Landesbehörde, die unter vielem anderen für die gesamte Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern zuständig ist, auch die Internationale Schule wird bei der Senatsverwaltung auf Landesebene entwickelt. Aktive Handlungsmöglichkeiten hat die Bezirkspolitik nicht, kann höchstens auf die verfahrene Situation hinweisen und Auskünfte verlangen, jedoch nicht aktiv entscheiden.

18.01.2014

 
 

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