Es grünt so grün in der Mitte Berlins.

Veröffentlicht am 28.05.2018 in Stadtentwicklung

Möchte man sich das wirklich vorstellen? Die Fassade des Humboldt Forums völlig begrünt, nur die Fenster schauen durch den Pflanzen-Dschungel? Dafür der ganze Aufwand bei der Rekonstruktion der Fassade des Berliner Schlosses? Egal – es ist ein – sicherlich provozierender – Vorschlag einer Arbeitsgruppe der Stiftung Zukunft Berlin, die sich gegründet hatte, um sich Gedanken darüber zu machen, wie und wo „die Natur“ in Berlins Mitte wieder oder weiterhin eine bestimmende Rolle spielen solle. Nun hatte die Stiftung zu einer Informationsveranstaltung in die ESMT (European School of Management and Technology) im ehemaligen Staatsratsgebäude am Schlossplatz 1 geladen. Viele Interessierte kamen, der etwa hundert Plätze fassende Saal war bis auf den letzten Platz besetzt.

Ihr Kommen hatte die Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, Regine Günther, zwar zugesagt, musste aber kurzfristig absagen und schickte ihren Staatssekretär Stefan Tidow. Durch die Veranstaltung führte Stefan Richter, geschäftsführender Vorstand der Stiftung Zukunft Berlin. Staatssekretär Tidow sprach ein paar einführende Worte zum Thema, Hausherr Georg Garlichs, Geschäftsführer der ESMT Berlin, begrüßte die Anwesenden in dem Saal, in dem der seinerzeitige Bundeskanzler Gerhard Schröder mit seinen Minister*innen in den Neunziger Jahren interimistisch Bundeskabinettsitzungen abgehalten hatte. Im Vorraum hatte bis 1989 noch Erich Honnecker sein Büro. Ein geschichtsträchtiger Ort also.

Der Titel der Veranstaltung hatte schon mal neugierig gemacht: „Urbanes Grün für die Stadt der Zukunft – Pilotgebiete in der Berliner Mitte“. Und er versprach nicht zu viel. Koryphäen ihres Fachgebietes präsentierten die Ergebnisse der Arbeitsgruppe(n), so z.B. Klaus Henning von Krosigk, der als „ehemaliger Gartenbaudirektor Berlin“ angekündigt war, das aber gleich korrigierte: er war als stellvertretender Amtsleiter bzw. Landeskonservator für das Land Berlin tätig. Studiert hatte er mal Gartenarchitektur und Gartengeschichte. Und Hartmut Balder von der Beuth Hochschule, Justus Meißner von der Stiftung Naturschutz Berlin, der Archäologe Wolf-Dieter Heilmeyer und Tim Edler vom Flussbad Berlin e.V.

Quintessenz der Kurzvorträge: „Kümmert Euch um Eure Mitte!“ Die zehn Leitlinien - die die Stadtdebatte „Alte Mitte, neue Liebe“ Anfang 2016 ergeben hatte – verlangen, den öffentlichen Raum zwischen Alexanderplatz und Humboldt Forum und deren Verbindungen zu den umliegenden Quartieren in einen Masterplan zu gießen. Die Stiftung Zukunft Berlin ist der Meinung, dass nicht gewartet werden sollte, bis Einzelentscheidungen zu einzelnen Flächen gefällt würden, vielmehr müssten die Bereiche Fußbebauung des Fernsehturms, das sogenannte „Rathausforum“ bis zur Marienkirche und das Marx-Engels-Forum in Bezug zueinander eine „wertvolle Mittelpunktsfunktion“ für Anwohner, ganz Berlin, die Region erfüllen.

Rund um das neu entstehende Humboldt Forum herrscht „Öde“ – es gibt rund um den Gebäudekomplex nur versiegelte Flächen und so fordert die Arbeitsgemeinschaft mehr Grün nicht nur am, sondern auch rund um das Schloss mehr Grün. Die derzeitigen Planungen sehen lediglich vier Bäume in näherer Umgebung vor – zumal damit auch eine Verbindung zum „grünen“ Lustgarten geschaffen wäre. Darüberhinaus stellen sich die Akteure gegenüber der neu konzipierten Schlossfassade jenseits der Spree im jetzigen Marx-Engels-Forum einen sogenannten „Weltgarten“ mit Pflanzen aus – wie der Name schon sagt – der ganzen Welt vor. Damit würde auch eine gedankliche Verbindung zu den Exponaten (z.B. die ethnologischen Sammlungen aus Dahlem) im Humboldt Forum hergestellt. Sicherlich eine interessante Idee.

Für das sogenannte „Rathausforum“ stellen sich die Mitglieder der Arbeitsgruppe einen „Platz der Stadt“ vor, auf dem es u.a. ein großer zentraler Platz für Versammlungen und Stadtfeste entstehen soll, technische Vorrichtungen für temporäre Gebäude (z.B. für Start ups, Lichtspiele, „Smart City“, technologische Innovationen, Public Viewing) geschaffen werden, ein tribünenartiger Pavillon für Bürgerveranstaltungen gegenüber des Rathauses an der Karl-Liebknecht-Straße aufgestellt wird etc. etc.

Es soll auch eine grundlegende Entlastung von Individual- und Durchgangsverkehr erfolgen, die Rathausstraße ganz ohne Verkehr auskommen, die Spandauer Straße sollte als „Shared Space“ entwickelt werden.

Viele, viele Vorschläge und Ideen, die anschließend von Anwesenden gutgeheißen bzw. kritisiert wurden. Vor allem das mal wieder vorgestellte Flussbad war umstritten. Mittlerweile überlegen die Initiatoren offenbar, den Zugang zum Flussbad nicht mehr am Lustgarten bzw. den Museen zu planen, sondern neben der ESMT – der Hausherr schien ganz angetan.

Der Grundtenor der gesamten Veranstaltung war der, dass man nun endlich die Fortsetzung der Debatte „Alte Mitte, neue Liebe“ erwarte, nachdem schon wieder mehr als zwei Jahre nach Verabschiedung der Leitlinien vergangen sind. Es steht die Vermutung im Raum, dass die zuständige Senatorin (in diesem Fall Katrin Lompscher, Die Linke) keine rechte Lust hat, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Das lässt sich auch beim fehlenden Fortschritt am Umbau des Molkenmarktes beobachten. Ob Regine Günther als für das Grün zuständige Senatorin mehr Engagement an den Tag legen wird, war nach den Äußerungen ihres Staatssekretäres nicht unbedingt erkennbar. Es ist also noch viel zu tun, Die Stiftung Zukunft Berlin hat einen wichtigen Anstoß gegeben, nun sind auch die Parteien, Fraktionen und Senatsverwaltungen aufgerufen, sich eine Meinung zu bilden und – vor allem – auch umzusetzen!

Stefan Draeger

 
 

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